Häusliche Gewalt: Wie du sie erkennst und Betroffenen helfen kannst
Gewalt in den eigenen vier Wänden ist keine Seltenheit. Häusliche Gewalt erscheint in vielen verschiedenen Formen. Sie umfasst sexuelle Übergriffe und physische Misshandlungen wie Demütigungen oder Beleidigungen. In Extremfällen gehören auch Freiheitsberaubung oder gar Tötungsversuche zu den Formen häuslicher Gewalt.
Häusliche Gewalt tritt in allen Bildungs- und Einkommensschichten auf, unabhängig von Alter oder ethnischer Gruppe. Mindestens jede vierte Frau in Deutschland erlebt im Laufe ihres Lebens häusliche Gewalt. Doch auch Kinder und Männer können Opfer von Partnergewalt sein. Schätzungsweise werden eine Millionen Männer in Deutschland regelmäßig von ihrer Partnerin misshandelt. Wie du häusliche Gewalt erkennst und wie du den Betroffenen helfen kannst, zeigen wir dir in diesem Artikel.
Welche Warnsignale gibt es?
Gewaltbelastete Beziehungen folgen meist einem bestimmten Muster. Die Übergriffe sind keine Einzelfälle und entstehen nicht aus einer konkreten Situation heraus, sondern sind ein Teil eines komplexen Machtverhältnisses. Die Gewalt beginnt meist schleichend.
Typischerweise beruhigt sich die Situation nach einer Auseinandersetzung wieder und der Täter entschuldigt sich. Wenig später wird er aber wieder gewalttätig und die Häufigkeit und Schwere der Übergriffe nimmt im Laufe der Beziehung zu. Deshalb ist es wichtig, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Die Betroffenen selbst wissen oft nicht, ob das, was ihnen widerfährt tatsächlich Gewalt ist und suchen oft die Schuld bei sich selbst.
An den folgenden Warnsignalen kannst du erkennen, ob jemand Opfer häuslicher Gewalt sein könnte:
- Die/der Betroffene trifft sich nicht mehr mit Freunden und der Familie, weil der/die Partner/in es verbietet. Sie/er findet immer neue Ausreden und zieht sich sozial völlig zurück. Gründe dafür können Depressionen oder Angst sein, dass jemand die Verletzungen bemerken könnte.
- Sie/er trifft keine eigenen Entscheidungen mehr und hält ständig Rücksprache mit dem/der Partner/in aus Angst vor der Reaktion.
- Sie/er hat kein eigenes Geld zur Verfügung.
- Sie/er hat Verletzungen, wie beispielsweise ein blaues Auge, die aber nicht zu der Erklärung passen. Verschiedene Verletzungen, die aber in unterschiedlichen Heilungsstadien sind, weisen ebenfalls auf häusliche Gewalt hin.
- Die/der Betroffene hat chronische Beschwerden, für die es aber keine sichtbaren physischen Gründe gibt.
- Sie/er wirkt ständig unsicher, nervös, gereizt oder erschöpft. Sie/er leidet unter Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen, Depressionen, Gewichtsveränderungen und Essstörungen oder Suchtverhalten.
Typische Verhaltensweisen eines gewalttätigen Partners/ einer gewalttätigen Partnerin sind:
- Er/sie ist übermäßig aufmerksam, kontrolliert die Partnerin/den Partner und weicht ihr/ihm nie von der Seite.
- Er/sie trifft alle Entscheidungen und macht die Partnerin/den Partner sozial und wirtschaftlich von sich abhängig.
- Er/sie beleidigt die Partnerin/den Partner und redet vor anderen Menschen schlecht über sie/ihn.
- Er/sie hindert seine Partnerin/ihren Partner daran, das Haus zu verlassen um beispielsweise Freunde oder Familienmitglieder zu treffen.
Kinder als Opfer häuslicher Gewalt
Auch Kinder leiden sehr unter häuslicher Gewalt, selbst wenn sie keine direkte Gewalt am eigenen Körper erdulden müssen. Es ist traumatisierend, ein Elternteil hilflos und verletzt zu sehen. Wenn sie sich in die Auseinandersetzungen einmischen, um der geliebten Bezugsperson zu helfen, gefährden sie sich meist selbst. In gewaltbelasteten Haushalten müssen die Kinder oft Aufgaben übernehmen, denen das Opfer der Gewalt nicht mehr gewachsen ist. Dabei stehen sie unter großem Druck und fühlen sich überfordert und schuldig für das Verhalten der Eltern. Sie schämen sich für die Probleme Zuhause und haben Schwierigkeiten, sich jemandem anzuvertrauen.
An diesen Warnsignalen erkennst du, ob ein Kind von häuslicher Gewalt betroffen ist:
- Das Kind wirkt über längere Zeit bedrückt und traurig.
- Das Verhalten des Kindes ändert sich schlagartig. Es ist plötzlich übertrieben anhänglich oder ängstlich und erbringt schlechtere Leistungen in der Schule.
- Es wirkt vernachlässigt, trägt keine alters- und witterungsgerechte Kleidung und sieht ungepflegt aus.
- Das Kind fällt in der Entwicklung zurück, nässt beispielsweise wieder ein oder spricht in der Babysprache.
- Es hat sichtbare Verletzungen und blaue Flecken, die nicht zu den typischen Verletzungen passen, die Kinder sich oft beim Spielen zufügen.
Kinder orientieren sich an dem, was ihnen die Eltern vorleben und die Gewalt wird für sie zur Normalität. Sie erlernen keine positive Konfliktlösung, sodass sich im Erwachsenenalter das Erlebte meist wiederholt. Daher muss Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind deutlich gemacht werden, dass sie nicht für das Verhalten der Eltern verantwortlich sind. Durch qualifizierte Unterstützung in Jugendzentren, Frauenhäusern und Traumazentren für Kinder und Jugendliche müssen sie lernen das Erlebte zu bewältigen und Konflikte ohne Gewalt zu lösen.
Häusliche Gewalt gegen Männer
Während sich die Gesellschaft dem Tabuthema Gewalt in der Familie im Bezug auf Frauen öffnet, findet Gewalt an Männern kaum Beachtung. Doch auch Männer sind von häuslicher Gewalt, die von ihrer Partnerin ausgeht betroffen - trotz ihrer vermeintlichen körperlichen Überlegenheit.
Frauen wenden dabei am häufigsten psychologische Gewalt an, indem sie den Partner beleidigen, bedrohen, kontrollieren und ihm Verbote erteilen. Körperliche Gewalt wie Schläge, Tritte oder Kratzen sind eher selten. Häufiger treten Misshandlungen auf, die sie dem Mann durch Objekte wie Nadel, Schere, Möbel, Küchengeräte, Messer und anderes Werkzeug zufügen, um ihre körperliche Unterlegenheit auszugleichen.
Den betroffenen Männern fällt es sehr schwer, sich als Opfer zu sehen. Sie schämen sich Opfer der vermeintlich schwächeren Frau zu sein. Sie wissen nicht wohin sie sich mit diesen Problemen wenden sollen und haben Angst verspottet und nicht ernst genommen zu werden. Die Ansicht, dass ein Mann stark und wehrhaft zu sein hat ist fest in der Gesellschaft verankert. Daher glauben auch die Betroffenen Stärke zu beweisen, indem sie die Probleme selbst wegstecken.
Wie kann ich Betroffenen helfen?
Es fällt Betroffenen meist schwer, sich aus diesen gewaltbelasteten Beziehungen zu lösen. Oft hilft es aber sehr, wenn die Anzeichen für Gewalt erkannt werden und die Betroffenen Verständnis und Unterstützung aus ihrem Umfeld erfahren.
Daher solltest du Folgendes tun, um Betroffenen zu helfen:
- Signalisiere Hilfsbereitschaft. Schildere was dir aufgefallen ist und zeige, dass du dir Sorgen machst.
- Frage konkret nach und zeige Verständnis für das, was dir die/der Betroffene anvertraut. Ermutige sie/ihn zum Sprechen, baue aber keinen Druck auf.
- Mache deutlich, dass Gewalt falsch und unrecht ist und allein der Gewaltausübende dafür verantwortlich ist. Die/der Betroffene soll spüren, dass sie/er selbst nicht schuld an dem Erlebten ist.
- Zeige Hilfsmöglichkeiten auf und gib am besten direkt konkrete Adressen und Telefonnummern weiter, an die sich die/der Betroffene wenden kann. Mache Mut diese Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen.
- Du kannst auch Zuflucht oder Hilfe bei der Kinderbetreuung anbieten.
- Solltest du Zeuge einer gefährlichen Situation werden oder von einer akuten Bedrohung wissen, solltest du das Jugendamt oder die Polizei kontaktieren.
Wenn du selbst unter häuslicher Gewalt leidest, kannst du Folgendes tun:
- Wende dich an eine Vertrauensperson aus deinem Freundes- oder Familienkreis. Du kannst auch Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer oder andere vertrauenswürdige Kontaktpersonen deines Kindes einweihen.
- Nimm Kontakt zu einer Beratungsstelle auf.
- Hole dir Unterstützung für dein Kind. Oft ist eine Trennung von dem gewalttätigen Partner die einzige Möglichkeit die Gewalt zu beenden und deinem Kind ein sicheres Zuhause zu geben.
- Notiere dir Einzelheiten zu den Misshandlungen - Datum, Uhrzeit und was genau passiert ist.
- Suche einen Arzt auf und lass deine Verletzungen dokumentieren, falls du eine Strafanzeige stellen möchtest. Sprich mit ihm darüber, was du erlebt hast. Ärzte können Hilfe leisten und vermitteln.
- Kontaktiere bei akuter Bedrohung die Polizei.
Hilfsangebote für Opfer häuslicher Gewalt
In bedrohlichen Situationen sollte direkt die Polizei (110) kontaktiert werden.
Hilfetelefone
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016
Das Hilfetelefon bietet rund um die Uhr eine Telefonberatung in 17 Sprachen und Online-Beratung mit einem Notausstiegbutton an, der die Betroffene in Notfällen zu einer anderen Website weiterleitet.
Kinder und Jugendtelefon Nummer gegen Kummer: 08000 116 111
Bei der Nummer gegen Kummer können Kinder und Jugendliche ehrenamtlichen Beratern und Beraterinnen ihre Probleme und Sorgen anvertrauen. Neben der Online-Beratung der Nummer gegen Kummer können sich Kinder und Jugendliche auch unter www.youth-life-line.de online Hilfe suchen.
Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 1239900/ beratung@maennerhilfetelefon.de
Das Hilfetelefon bietet Männern, die Gewalt erlebt haben, Beratung und Hilfe an.
Weisser Ring Opfer-Telefon: 116 006
Der Weisse Ring ist eine Hilfsorganisation für Menschen, die Opfer von Kriminalität geworden sind und bietet Hilfe vor Ort, Online-Beratung und das Opfer-Telefon an.
KommGutHeim Notfallbutton
Mit der KommGutHeim App kannst du im Ernstfall über den Notfallbutton ausgewählte Kontakte informieren. Über die Live-Standortverfolgung können deine Vertrauenspersonen sehen, wo du dich gerade befindest und Hilfe für dich alarmieren.
Frauenhäuser und Beratungsstellen
Diese Einrichtungen helfen dabei, nach konkreten Handlungsmöglichkeiten und Sicherheitskonzepten zu suchen und das Erlebte aufzuarbeiten. Unter https://www.frauenhauskoordinierung.de kannst du nach Frauenhäusern und Beratungsstellen in deiner Nähe suchen. Du kannst dich auch beraten lassen, wie du Betroffene aus deinem Umfeld unterstützen kannst.
Weitere Beratungsstellen für Betroffene von Partnergewalt
- bff Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
- Ehe- und Familienberatungsstellen, Rechtsberatungsstellen
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Jugendamt, Kinderschutzdienste und Kinderschutzbund